❈ Nadine ❈
Leseprobe

Wie jeden Morgen, saß ich in meinem flauschig weißen Bademantel in der Küche auf einem der vier, wackeligen, abgenutzten, weißen Plastikstühle, trank eine Tasse Kaffee und las nebenbei die Tageszeitung. Ich war nicht besonders interessiert an den Schlagzeilen, die von politischen Skandalen, wirtschaftlichen Krisen und Umweltkatastrophen berichteten. Ich suchte nach etwas Leichterem, etwas, das mir ein Lächeln aufs Gesicht zaubern würde. Also blätterte ich mich durch die Seiten, bis ich auf die Rubrik „Wertvolles Leben“ stieß. Dort stach mir ein Artikel sofort ins Auge, der mich sofort faszinierte. Er handelte von einem Buch über Freiheit, von einem sinnerfüllten Leben, ein Leben ohne Angst, gemütlich durch die Lebensjahre spazieren. Worauf warten Sie? Besuchen Sie uns noch heute in einer unserer Filialen, siehe Adressenliste, um selbstbestimmt in eine neue Zukunft zu starten, so, die motivierenden Worte des Journalisten Herrn Hansen. „Aber klar doch, Herr Hansen, Hokuspokus und alles wird wahr.“ Lästerte ich, auch wenn es niemand hörte. Der Journalist gab merkwürdigerweise keinen Titel, stattdessen, nur die ISBN Nummer bekannt. „Echt jetzt? Das ist alles?“ Trotz der dürftigen Informationen stockte mir der Atem, als ich daran dachte, endlich wieder einen Schritt ohne Angst, nach fast 12 Jahren, als ich selbst und nicht verkleidet, mit Perücke, schwarzer Sonnenbrille, vor die Wohnungstür setzen zu können. Aus Angst, meinem Ex-Mann auf der Straße über den Weg zu laufen, trotz Verkleidung, verließ ich meine 2-Zimmer-Wohnung nur dann, wenn es sich nicht vermeiden ließ. „Ich muss das Buch haben. Wie viel es auch kostet, ich muss es haben.“ So viel stand fest, doch wie sollte ich an dieses fantastische Werk herankommen, ohne die Wohnung verlassen zu müssen? Wie in Zeitlupe erhob ich mich vom Stuhl und suchte nach einer Lösung. Nervös, barfuß, meine langen schwarzen Haare raufend, lief ich in der Küche auf und ab. Mein Gehirn suchte nach einer Person, welche mir das Buch besorgen könnte, aber wer? Natürlich, Ilse, wer denn sonst, sie würde es mir besorgen, war sie doch meine beste und zugleich einzige Freundin. Zögernd nahm ich das Handy vom Küchentisch, wählte ihre Nummer und wartete. Es dauerte eine Ewigkeit, bis ich ihre vertraute Stimme hörte. Ich wollte etwas sagen, doch plötzlich konnte ich nicht, brachte kein Wort hervor, stattdessen hörte ich ihr zu, wie sie sich darüber beschwerte, sie am Sonntag viel zu zeitig aus dem Schlaf gerissen zu haben. Während ich ihr so zuhörte, starrte ich auf die Wanduhr, welche oberhalb des Türrahmens angebracht war und stellte fest, dass ihr Vortrag satte 5 Minuten dauerte, ehe ich endlich auch mal zu Wort kam. „Ilse, bitte, Ilse …“ Sie hörte mir nicht zu, deshalb ließ ich sie zu Ende reden. „Darf ich auch …“ „Bis gleich, ich komme rüber. Ciao.“ „Was war das denn jetzt?“ Sie wohnte im gleichen Haus, nur zwei Stockwerke unter mir, also müsste es jeden Moment an der Tür läuten. Darum machte ich mich gleich auf den Weg und ging zur Tür. Keine 2 Minuten später klopfte es. Ich öffnete, da stand sie, in rotem Morgenmantel, grünen Badeschlappen und schwarz lackierten Zehennägeln. Ganz zu schweigen von ihrem schulterlangen blond zerzaustem Haar. Ich lachte laut los, wobei mir die Idee kam, Ilse in ihrem katastrophalen Outfit auf meinem Handy zu verewigen. Wie der Blitz lief ich in die Küche, schnappte mir das Handy, lief wieder zu ihr und schoss schnell ein Foto. „Was soll das Theater?“ „Theater? Sorry, aber dieses Bild ist einfach göttlich.“ „Klasse. Du bist am Telefon stumm, ich mache mir Sorgen, eile zu dir hoch und als Dank, spöttisch, aber lassen wir das. Darf ich rein?“ „Du hast mich doch nicht zu Wort kommen lassen. Komm rein.“ „Danke.“ Ich ging zur Seite und nachdem sie wie gewohnt ihr Handy samt Wohnungsschlüssel auf dem kleinen Schuhkästchen abgelegt hatte, schloss ich die Tür. „Bevor wir uns mal ernsthaft unterhalten, trinke ich eine Tasse Kaffee.“ „Klar, bediene dich, fühle dich wie zu Hause.“ Kaum betrat sie die Küche, meckerte sie, wie es hier denn wieder aussehe. Es grenze an ein Wunder, dass diese Wohnung nicht längst von Ungeziefer befallen wäre. Typisch Ilse, sie stellte alles und jedes stets übertrieben dar. Kaffeeflecken am Tisch, etwas Staub auf den Möbeln, schon herrschte Katastrophenalarm. Ihrer Kritik zufolge müsste ihr Zuhause im hellsten Glanz erstrahlen. „Ich bin eben keine gute Hausfrau.“ Mehr wollte ich mich zu diesem Thema nicht äußern, setzte mich und beobachtete sie beim Kaffeezubereiten. „Kannst du denn keinen Putzlappen in die Hand nehmen?“ „Tue ich doch.“ „Möchtest du auch Kaffee?“ „Ja. Bitte, hab dich lieb.“ „Ich dich auch, sehr sogar.“ Hier waren sie, die erlösenden Worte. Ab sofort wandelte sich ihr Gemecker, in liebliche Worte, welche ich meistens als Flirten auffasste, dass sie natürlich bestritt. Ich glaubte ihr nicht so recht, denn warum sonst, bestand sie bei jedem ihrer Besuche darauf, dass ich ein Bad nehmen soll, bei dem sie mir Gesellschaft leistete. Anstatt mir ließ sie heißes Badewasser in die Wanne ein, dosierte den Badezusatz und meinte, ihre Anwesenheit würden meine angespannten Nerven beruhigen. Anfangs war mir ihre Anwesenheit unangenehm, doch nach so vielen Jahren, wandelte sich mein Schamgefühl von ihr beim Baden beobachtet zu werden, zur Normalität. Sie saß immer auf einem Hocker neben mir. Mir wurde immer bewusster, dass sie längst zu einem Teil meines Lebens geworden ist. Des Öfteren bezeichnete ich sie scherzhaft als Voyeurin, als lesbische Voyeurin, was sie stets zur Weißglut brachte, aber kurz darauf, nachdem wir uns tief in die Augen geblickt hatten, endete ihre Wut, immer zusammen mit mir, in einem Gelächter. „Soll ich dir die Haare zurechtmachen? Die sehen schrecklich aus.“ „Was? Entschuldige, ich war in Gedanken. Nein, aber du könntest mir ein Buch besorgen.“ ...
❈ Meine Philosophie
Lebe Heute.
Nicht im Gestern.
Lebe deinen Traum.
